Die Frauen aus Tykocin

01.09.2020
Im Mai 1944 haben die deutschen Besatzer alle erwachsenen Einwohner der Stadt Tykocin in deutsche Konzentrationslager abtransportiert. In den Konzentrationslagern starben etwa 40% aller verhafteten Tykociner, unter ihnen 70% der Männer und 20% der Frauen.
Tykocin, Czarniecki Square. The place of arresting for concentration camps
Tykocin, Czarniecki Square. The place of arresting for concentration camps

Im Mai 1944 haben die deutschen Besatzer alle erwachsenen Einwohner der Stadt Tykocin in deutsche Konzentrationslager abtransportiert. Das war eine Reaktion auf das Attentat auf den deutschen Offizier und Leiter der Gendarmeriewache in Tykocin am 25. Mai 1944. Erich Koch,Gauleiter von Ostpreußen und Kommandant der Polizei und des Sicherheitsdienstes der Region Bialystok, ordnete am 26. Mai 1944 die Verhaftung von insgesamt 1.500 Personen an, unter ihnen ca. 400 Bewohner aus Tykocin. Am 27. Mai 1944 um 4 Uhr morgens trieben die deutschen Gendarmen ganze Familien aus ihren Häusern heraus. Unter dem Vorwand einer Dokumentenüberprüfung wurden sie auf den Czarniecki-Platz getrieben. Kurze Zeit später verließen die mit Menschen beladenen LKW den Platz. Die ganze Aktion dauerte bis zum Abend an. Es blieben nur kleine Kinder und alte Menschen zurück. Die Verhafteten hat man zunächst in das Gefängnis von Bialystok gebracht. Nach Tagen in Güterzügen wurden sie in verschiedene Konzentrationslager verschleppt. Die Frauen kamen nach Ravensbrück, später nach Sachsenhausen und Bergen-Belsen. Die Männer wurden nach Groß-Rosen gebracht, wo sie im Steinbruch arbeiten mussten. Die jungen Männer brachte man nach Sachsenhausen, Dachau, Mauthausen, Buchenwald, Mittelbau-Dora, Flossenburg, Natzweiler Bergen-Belsen und in verschiedene Außenlager.

„Wir wurden in Viehwaggons, ohne Verpflegung und Getränke transportiert. Einige Tage später erreichten wir den Bahnhof Fürstenberg in Deutschland. Die Aufseherinnen mit Hunden, bekleidet mit schwarzen Umhängen, mit Peitschen ausgestattet, schlugen und trieben uns einige Kilometer, bis wir in einem Lager ankamen. Ravensbrück. Dort angekommen, mussten wir vor der Schreibstube stehen bleiben, erst später durften wir in das Lagerbad gehen. Man nahm uns alle privaten Sachen ab und wurden stattdessen in gestreifte Kleidung gesteckt. Für die Füße gab es Holzschuhe und kaputte Strümpfe. Unsere Köpfe wurden abrasiert, abrasiert bis auf die Kopfhaut. Wir sahen uns gegenseitig an und begannen zu weinen. Wir weinten wie die kleinen Kinder. Ich erhielt die Häftlingsnummer 40634.“ … „In der Baracke 27 waren die Fensterscheiben kaputt. Dadurch regnete es im Sommer direkt auf unsere Pritschen und im Winter schneite es. Auf zwei Pritschen schliefen 5 Frauen. Zwei Zudecken mussten für uns reichen. Sie wärmten uns nicht wirklich und unsere Körper waren starr vor Kälte. Es ist kein Wunder, dass während die Sirenen heulten, so manche von uns nicht mehr aufgestanden ist. Die steifen Körper wurden an den Beinen aus der Baracke herausgezogen. Draußen, vor jeder Baracke, lagen Berge voller Leichen. Im Resultat vermehrten sich die Ratten und hüpften auf die Lebenden und die Toten.“ … (Alicja Bonusiewicz) …

„Nach 8 Wochen, wurde ich zusammen mit meiner Mutter und anderen Frauen nach Grüneberg überstellt. Dort arbeitete ich in einer Munitionsfabrik, die ca. 1,5 bis 2 km vom Lager entfernt war. Wir wurden dorthin zu Fuß getrieben. Unterwegs wurden wir geschlagen und man hat die Hunde auf uns gehetzt….Ich arbeitete 12 Stunden täglich. Verpflegt wurden wir 1 mal täglich mit rüber- oder Spinatsuppe. Die Tagesnormen bei der Munitionsproduktion würden immer höher. … Nach Arbeitsschluss wurden wir für „Sabotage“ kollektiv bestraft – Brotentzug bzw. im Winter wurden wir mit Wasser aus dem Hydranten begossen. Statt der Ruhepause blieben wir auf dem Appellplatz stehen. …“ (Janina Gołdyn)

„Die SS schlug uns während der Arbeit und quälte uns willkürlich. Ich erinnere mich daran, dass unsere Freundin, Stanisława Rakowicz, im Januar 1945 einen Sohn gebar. In der Fabrik herrschte deswegen eine große Unruhe. Wir waren überfordert und machten uns Sorgen und Gedanken um das Neugeborene und dessen Mutter. Ein Glück, sie wurde von der Arbeit in der Fabrik befreit, man schickte sie zu Reinigungsarbeiten innerhalb der Baracken. Es zeigte sich, dass unsere Hebammen und Blockältesten nicht so grausam waren wie andere. …“ (Marianna Lewonowska)

Ihre Befreiung erlebten die Frauen aus Tykocin auf unterschiedliche Weise. Ravensbrück: Ca. 70 Frauen, darunter Stanislawa Rakowicz mit ihrem Sohn Janusz, wurden aus Ravensbrück durch das Schwedische Rote Kreuz evakuiert. „Am Morgen kamen Busse und man hat uns abgeholt. Wie es sich später herausstellte, waren das Busse des Schwedischen roten Kreuzes. In diesem Moment hatten wir verstanden, dass die Zeit der Lagerhölle vorbei ist und wir endlich frei. Wir fuhren in Richtung Dänemark. In Kopenhagen sind wir auf Schiffe umgestiegen und fuhren nach Malmö in Schweden….“(Halina Ołdziej)…“Hier wurden wir mit Verpflegung und Kleidung versorgt. Danach brachte man uns nach Doverstorp…“ (Janina Wysocka)

„Nach der Befreiung von Bergen-Belsen durch die Engländer wurde für alle Schwachen ein Durchgangslager errichtet. Hier blieben wir einige Monate bis zu unserer Kräftigung. Erst danach erlaubte man uns, die Rückreise nach Polen anzutreten.“ (Tekla Gołaszewska) Sachsenhausen: „Die Deutschen trieben uns wegen der Front in Gruppen zu je 500 Personen aus dem Lager Sachsenhausen. Dies waren die sogenannten Todesmärsche. In der Nacht übernachteten wir in Scheunen. Am 3. Mai 1945 wurde unsere Kolonne bei Schwerin durch die russische Armee befreit.“ (Janina Kniżewska)

In den Konzentrationslagern starben etwa 40% aller verhafteten Tykociner, unter ihnen 70% der Männer und 20% der Frauen.

Quelle: "Steinernes Zeugnis", Ausstellungskatalog des Museums in Tykocin, 2014