Über die Gründung und die Tätigkeit des Internationalen Ravensbrück-Komitees (IRK)
Ein Zusammenwirken von Ravensbrückerinnen verschiedener Länder begann in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als diese als Zeuginnen in den verschiedenen Prozessen gegen die Lagerleitung von Ravensbrück auftraten. Ab 1948 gab es Zusammenkünfte von ehemaligen politischen Häftlingen aus mehreren Ländern, die einem Gedenken an Ravensbrück und der Vorbereitung eines Museums und einer Gedenkstätte dienten.
Im November 1956 fand eine Tagung mit Teilnehmerinnen aus 13 Ländern statt, auf der die ersten Vorstellungen der Überlebenden für ein Museum sowie Entwürfe von Künstlern diskutiert wurden.
1958 erging ein Aufruf zur internationalen Vorbereitung eines Museums in Ravensbrück. Die Arbeiten koordinierte ein vorläufiges Internationales Komitee (1954 – 1959) unter der Leitung von *Renèe Mirande-Laval *aus Frankreich. Nach der Eröffnung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte, des ersten Museums und der Einweihung des Denkmals im Jahr 1959 in Ravensbrück versammelte sich dieses Komitee nicht mehr.
Das Komitee wurde erneut aktiv, als sich auch für andere große ehemalige NS-Konzentrationslager Internationale Lagerkomitees bildeten. Am 3. Februar 1965 fand in Brüssel (Belgien) die Tagung des Internationalen Ravensbrück-Komitees statt, auf der beschlossen wurde, die Arbeit des Komitees (IRK) wieder aufzunehmen.
Auf einer Tagung im Zusammenhang mit dem 20. Jahrestag der Befreiung, am 27. April 1965, fanden Wahlen zum Präsidium statt. Als Präsidentin wurde Renée Mirande-Laval (Frankreich) gewählt. Es wurde eine Grundsatzerklärung (Charta) angenommen. 17 nationale Ravensbrückkomitees aus europäischen Ländern gaben kurze Zeit später ihr Einverständnis, im IRK mitzuarbeiten. Als Sitz des IRK wurden Paris (Frankreich) und symbolisch der Ort Ravensbrück festgelegt. Die Tagungen des IRK sollten alljährlich in den verschiedenen Mitgliedsländern durchgeführt werden.
Die Gestaltung des ersten Museums von Ravensbrück war in der internationalen Gemeinschaft wiederholt beraten und zusammen in die Tat umgesetzt worden. Die Grundidee, in dem Museum, welches im ehemaligen Zellenbau (Bunker) eingerichtet wurde, jeder nationalen Gemeinschaft der Ravensbrückerinnen einen Raum zur Ausgestaltung zu geben, entstand zuerst in den fünfziger Jahren. Diese Räume sind im Verlaufe der Jahre zwei Mal neu gestaltet worden. Für die folgenden Länder gab es nationale Gedenkräume: Albanien, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Spanien, Tschechoslowakei, Ungarn sowie ein internationaler Gedenkraum.
Ab 1965 fanden die Tagungen des Internationalen Ravensbrückkomitees jährlich in den verschiedenen Mitgliedsländern statt. Zu allen beratenen Fragen wurden Beschlüsse gefasst, Resolutionen angenommen, Mitteilungen an die Öffentlichkeit verabschiedet, Briefe an internationale Organisationen gerichtet.
Neben den gemeinsamen Tagungen des Internationalen Ravensbrückkomitees mit den Vertreterinnen der nationalen Komitees fanden andere internationale Treffen statt.
Auf Initiative des IRK wurde im Juli 1967 bei Berlin ein Treffen mit 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 11 Ländern durchgeführt, an dem neben den Ravensbrückerinnen auch Kinder von Ravensbrückerinnen teilgenommen haben.
Ein anderes besonderes Treffen war die Begegnung von 178 ehemaligen Häftlingsfrauen in Österreich, in Steinhaus/Semmering im November 1974.
1979, in Ljubljana, Jugoslawien, wurde Rose Guerin (Frankreich) zur Präsidentin des IRK gewählt. Annette Chalut, ebenfalls aus Frankreich wurde in diese Position in Mantua, Italien, im Jahr 1999 gewählt.
In vielen Ländern gründeten sich nationale Gruppen / Lagergemeinschaften der früheren Häftlinge aus Ravensbrück. Ravensbrückerinnen arbeiteten in Organisationen aller ehemaligen KZ-Häftlinge mit. Sie führten Treffen durch, organisierten Ausstellungen und errichteten eigene Denkmäler in ihren Ländern, so in Paris, Amsterdam, Brüssel, Warschau u.a. Orten und ehrten Ravensbrückerinnen durch Benennung von Straßen und Plätzen nach ihnen. Sie geben Zeitungen heraus und sind im Internet präsent.
Auf einer IRK-Tagung in Warschau/Krakow wurde 1971 erstmals ausführlich die Frage der Geschichtsschreibung über Ravensbrück diskutiert. Lange Zeit, bevor in der ganzen Welt eine – heute Hunderte Schriften umfassende Bibliothek entstand – waren es die ehemaligen Häftlinge selbst, die diese Forschung vorantrieben. Besonderes durch Erika Buchmann, Wanda Kiedrzynska, Dagmar Hajková, Germaine Tillion u.a.
Auf der IRK-Tagung 1988 in Hamburg teilte Rose Guerin mit, dass das Internationale Ravensbrückkomitee mit einem Ehrendiplom der UNO als “Botschafter des Friedens” geehrt wurde. Das Diplom war im Namen des Generalsekretärs der UNO an die Französin Cécile Lesieur in New York am 15. September 1987 überreicht worden.
Im Juli 1991 fand in Krakow ein Kolloquium zum kulturellen Erbe statt. Das IRK wurde durch drei Mitglieder vertreten. Die Delegation schlug vor, die Gedenkstätte Ravensbrück zum Europäischen Kulturerbe zu erklären.
Im Mai 1991 wurde bekannt, dass in Ravensbrück an der „Straße der Nationen“ ein Supermarkt der Gruppe Tengelmann errichtet werden sollte. Diese Straße, die zum KZ-Gelände gehörte, war von Häftlingsfrauen errichtet worden. Es kam zu einem breiten nationalen und internationalen Protest gegen dieses Vorhaben. Eine Gruppe ehemaliger Häftlinge aus mehreren Ländern reiste an, um mit den Verantwortlichen zu sprechen. Gleichzeitig versammelte sich das IKR im September 1991 in Ravensbrück, um das von der Sowjetarmee besetze Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers zu besichtigen und Vorschläge für eine Gestaltung des originalen Lagergeländes nach dem Abzug des Militärs zu unterbreiten.
Im Ergebnis dieser Diskussionen wurde dann auch die Zukunft der Gedenkstätte neu geregelt. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten wurde zum 1.1.1993 neu gegründet. Das Internationale Komitee arbeitet dort im Internationalen Beirat mit. Gegenwärtig wird das IRK dort von Ambra Laurenzi (Italien), Hanna Nowakowska (Polen) und Jeanine Bochat (Deutschland) vertreten.
Auf den Tagungen des IRK werden regelmäßig Aktionen besprochen und die Lebenssituationen der Ravensbrückerinnen diskutiert. Dazu gibt es Berichte aus den verschiedenen Ländern, zur Arbeit mit der Jugend u.a.
Die Frauen des Internationalen Ravensbrück-Komitees haben in den zurückliegenden Jahren in ihren Ländern zumeist eine hoch geachtete Rolle in der demokratischen Entwicklung gespielt und sind mit hohen Auszeichnungen geehrt worden. Dabei spielte die Tatsache, dass es „Frauen aus Ravensbrück“ waren, stets eine besondere Rolle.
Dr. Bärbel Schindler – Saefkow, Generalsekretärin des IRK 2002 - 2019
*Quellen: Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück 1945 – 2005, Internationales Ravensbrück Komitee, Hrsg.: Sigrid Jacobeit, Bärbel Schindler-Saefkow, 2005, u. a. *