geb. 26.11.1926 in Oradea (Rumänien) - gest. 24.11.2009,
Professorin für Chemie, Universität Bukarest
Auschwitz: 1. Juni 1944, Ravensbrück: 16. August 1944, Außenlager Altenburg ab 5. September 1944
Eva Turcu hatte einen so außergewöhnlichen Charakter, wie es ihr Leben war: die ihr nah waren, erinnern sich an ihre Ehrlichkeit (sie konnte nicht lügen, selbst wenn es jemandem als notwendig erschienen wäre), ihren Mut und ihre Würde … sie sprach frei heraus, aber gleichzeitig war sie standhaft und stark in einer feinfühligen Art. Ihr ganzes Leben erbrachte sie freiwillig Opfer. Eva ließ es nie an einem intelligenten und feinen Sinn für Humor fehlen. Ihre Diskretion war sprichwörtlich, jedwedes ihr anvertrautes Geheimnis war bei ihr gut aufgehoben. Vor allem war sie optimistisch: sie blickte in die Zukunft und ließ sich nicht von schmerzhaften Erinnerungen überwältigen.
Eva Markovits wurde am 26. November 1926 in Oradea (Nagyvárad), in Nordwesten Rumäniens, in einer wunderbaren, in der Stadt hochangesehenen Familie geboren. Vier Jahre später kam ihre Schwester zur Welt. Sie waren Juden ungarischer Kultur. Der Vater war Rechtsanwalt, die Mutter war Apothekerin. Sie waren nicht wohlhabend, aber die Kinder erhielten eine umfassende Ausbildung entsprechend den Standards dieser Zeit und trieben viel Sport. Eva berichtete oft von der harmonischen Atmosphäre in ihrer Familie.
Im Jahr 1940 wurde ein Teil Rumäniens dem Staat Ungarn zugeschlagen. Die Familie Markovits lebte auf dem zugeschlagenen, dem nunmehr ungarischen Teil. Die Horthy-Faschisten übten brutalen Druck auf die Rumänen aus (es gibt gemarterte Dörfer in Rumänien) und antisemitische Gesetze folgten eines nach dem anderen.
1941 wurde dem Vater die Ausübung seines Berufes verboten. In den Schulen wurde die Politik des numerus clausus eingeführt und in den Universitäten der numerus nullus. 1942 wurden die ersten Juden deportiert, die nicht auf traditionellem ungarischen Territorium geboren wurden. Es folgten die Verpflichtung, den gelben Stern zu tragen, Beschränkungen für den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt u. a. Im April 1944 begann die ungarische Verwaltung damit, die Juden in Ghettos zu zwingen.
Ende Mai 1944 wurden Eva und ihre Familie mit den „Todeszügen“ nach Auschwitz deportiert, wo sie am 1. Juni 1944 ankamen. Am selben Tag wurde dort ihre Schwester für den Tod in der Gaskammer selektiert. Ihre Mutter begleitete sie.
Nachdem sie ihre Mutter und Schwester verloren hatte, blieb Eva allein in Auschwitz bis August 1944, als sie nach Ravensbrück gebracht wurde. Im September 1944 wurde sie nach Altenburg (Thüringen) geschafft, wo sie Zwangsarbeit in einer Fabrik zu leisten hatte.
Im April 1945, als die Front näher rückte, wurden die Gefangenen nach Waldenburg evakuiert. Dort wurden sie von US-Truppen befreit.
Einige Wochen lang lebte Eva in Meerane, bevor sie mit anderen ehemaligen Häftlingen in Buchenwald ankam. Dieses Haupt-Konzentrationslager verließ sie mit einem Transport von Ex-Häftlingen in Richtung Rumänien.
In ihrer Heimatstadt musste sie erfahren, dass ihr Vater nur wenige Tage vor der Befreiung des KZ Auschwitz durch sowjetische Truppen gestorben war.
Eva fand nichts mehr vom Familienbesitz vor, weil alles geplündert oder verwüstet war. Sie war schwach und musste die Wohnung ihrer Familie zu einem sehr geringen Preis verkaufen, weil sie dringend Geld brauchte, um zu genesen und das Baccalaureate Examen nachzuholen. Danach begann sie an der Universität von Cluj (dem größten Universitäts-Zentrum in Transsylvanien) mit dem Studium der Chemie. Hier lernte sie ihren späteren Ehemann, einen rumänischen Studenten, kennen.
Nach dem Abschluss des Studiums, zog das junge Paar nach Bukarest. Sie hatten zwei Töchter. Sie durchlebten die Widrigkeiten des kommunistischen Regimes, aber sie waren immer ihrer Forschungsarbeit und universitären Lehrtätigkeit zugewandt.
Eva hat ihren Kindern oder Enkeln nicht sehr viel über ihr Leben in den Konzentrationslagern erzählt. Bekannt ist, dass das 17-jährige Mädchen auf sich allein gestellt war bei der Bewahrung ihrer Würde unter diesen außergewöhnlichen Umständen und dass sie öfters ihre Brotration für ein Stück Seife hergab – denn Sauberkeit hat für sie immer eine bedeutende Rolle gespielt.
Nach dem Horror des Krieges war es ihr ebenso wichtig, ihre Töchter im Geist der Toleranz anstelle von Vorurteilen zu erziehen. Und auch wenn Rumänien kein reiches Land war, so hat sie es zusammen mit ihrem Ehemann geschafft, dass es den Kindern an nichts Wesentlichem fehlte: Kultur, Gesundheit, Fraulichkeit, Freunde, gutes Essen und guten Geschmack.
Die, die sie kannten, danken ihr für alles.
Aufgeschrieben von ihrer Tochter Lucia Spulber, 2020