geb. in Odessa (Geburtsdatum unbekannt)
Ravensbrück: 07. April 1944, anschl. Außenlager Neubrandenburg
Ljudmilla Woloschina wurde in Odessa als viertes Kind einer jüdischen Familie geboren. Der Vater war Lehrer. 1933 verließ die Familie die Stadt aufgrund einer großen Hungersnot und übersiedelte nach Donezk. Ihre älteren Geschwister studierten Medizin und waren als Ärzte in der Roten Armee tätig.
1942 wurde Donezk von den Deutschen besetzt. Eines Tages, als Ljudmilla unterwegs war, um für die Familie Lebensmittel zu beschaffen, wurde sie von der Mutter einer Freundin abgefangen, die unbedingt ihre Rückkehr in das elterliche Haus verhindern wollte. Dort hatten inzwischen die Deutschen, wie Ljudmilla schließlich erfuhr, ihre Eltern sowie den vierjährigen Sohn ihrer Schwester ermordet.
Völlig auf sich allein gestellt, schlug sie sich ohne Papiere durch und legte ihren Geburtsnamen ab, um nicht als Jüdin identifiziert zu werden. Die ukrainische Polizei griff sie auf und verhörte sie vier Wochen lang. Bei den Verhören blieb sie bei ihrer neuen Identität und beharrte darauf, aus einem Kinderheim weggelaufen zu sein.
Nach vier Wochen im Gefängnis wurde sie der Gestapo übergeben, die sie mit anderen ukrainischen Mädchen nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppte.
Nach etwa einem Jahr der Zwangsarbeit in einer Drahtfabrik für die Marine wurden sie und andere Zwangsarbeiterinnen wegen Sabotage nach Ravensbrück deportiert, wo sie am 7. April 1944 ankam und man ihr zuerst die langen schwarzen Haare abschnitt. Kurze Zeit später musste sie in einem Ravensbrücker Außenlager in Neubrandenburg Zwangsarbeit verrichten. Die Zustände dort waren katastrophal und Ljudmilla erlebte es als ihre Rettung, dass sich eine Französin, Madame Jolie, wie eine Mutter ihrer annahm. Diese konnte Lebensmittelpakete erhalten, die sie mit ihr und einem anderen russischen Mädchen teilte.
Am 30. April 1945 wurden die Häftlinge auf den Todesmarsch getrieben. Gemeinsam mit Madame Jolie gelang es den Mädchen zu fliehen. Sie versteckten sich.
Am 1. Mai wurden sie, völlig entkräftet, von russischen Soldaten gefunden ud befreit.
Ljudmilla Woloschina feierte seitdem an jedem 1. Mai ihren „zweiten Geburtstag“, indem sie die Bescheinigung vor sich auf den Tisch legt, die ihr ein russischer Soldat bei ihrer Befreiung ausgestellt hatte.
Bevor sie nach Moskau zu ihrer Schwester ging, die den Krieg ebenfalls überlebt hatte, arbeitete sie noch zwei Jahre für die russische Militäradministration in Mecklenburg-Vorpommern, die sie gern wegen ihrer guten Deutschkenntnisse beschäftigte. Ljudmilla Woloschina brauchte ein Jahr, bis sie ihre panische Angst überwand und in der Lage war, wenigstens ihrem General gegenüber ihre Geschichte und damit auch ihre jüdische Herkunft preiszugeben. Bis heute rührt sie die Reaktion dieses Mannes, der der erste Mensch war, der sich von ihrem Schicksal berühren ließ: „Der Alte weint, die Junge weint und die Natur weint mit uns.“
Nach dieser Zeit zog sie zu ihrer großen Schwester nach Moskau. Sie brachte einen Sohn und eine Tochter zur Welt.
Ljudmilla Woloschina hat Zeit ihres Lebens alles daran gesetzt, um möglichst vielen Menschen über ihr Leben und ihre Erfahrungen zu berichten. Sie arbeitete im Internationalen Ravensbrück Komitee mit und war darüber hinaus in vielen anderen Organisationen aktiv.
*(Quellen: Ravensbrückblätter, 29. Jg, Nr. 117, Dezember 2003, Porträt, verfasst von Veronika Springmann und Interview mit Ludmilla Woloschina am 26. September 2004 in Lidice in: „Europa im Kampf 1939-1944. Internationale Poesie aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück“, S. 209-210, Hrsg.: Constanze Jaiser, Jacob David Pampuch, 2005 Metropol Verlag, ISBN 3-936411-61-1) *